Regelmäßige Leser des Pretioso-Blog wissen, dass ich nicht zur Fan-Group von Thorsten Heins, dem CEO von BlackBerry, gehöre. Seit seinem Amtsantritt vor rund 18 Monaten habe ich ihm regelmäßig das Profil abgesprochen, Unternehmen dieser Größenordnung führen zu können. Wer dies nicht gelesen hat, kann es in diversen Beiträgen nachlesen:
- Thorsten Heins neuer CEO von Research in Motion (RIM)
- BlackBerry stürzt ab — Research in Motion (RIM) in großer Not
- BlackBerryWorld 2012 bringt BlackBerry 10 — Desaster ist ein Kompliment für die General Session
- RIM prüft die Lizensierung von BlackBerry 10 an andere Hersteller
- BlackBerry Q10 und BlackBerry Z10 — Top oder Flop?
- BlackBerry Live 2013 — Inhaltsleere mit Parteitags-Ausstrahlung in Orlando
Seit gestern ist mir nun noch deutlicher, dass Thorsten Heinz nicht nur ein schlechter Kommunikator ist sondern für alle am Unternehmen Interessierten ein echtes Risiko darstellt. Seine gestrige Analystenkonferenz ist ein gutes Beispiel für desaströse Unternehmenskommunikation, die nicht nur Unternehmenssubstanz vernichtet (27,8 % Kursverlust an der NASDAQ) sondern ganz nachhaltig das Überleben von BlackBerry in Frage stellt — zumindest mit ihm an der Spitze. Die Wirtschaftswoche schreibt zutreffend:
Und genau deshalb gibt es im Kern nur zwei Optionen. Weiter so mit Heins, was m. E. das sichere Ende von BlackBerry bedeutet, wobei derzeit nicht absehbar ist, wie sich dieses Ende ausbilden würde — noch können ja über 3 Milliarden Dollar Liquidität verblasen werden. Weiter so ohne Heins ist aber ebenfalls nicht die sichere Rettung — dafür hat BlackBerry in den letzten Jahren einfach zu viel falsch gemacht.
Was misslang Heins nun gestern (wieder einmal)?
Das Kernproblem besteht m. E. darin, dass er es nicht beherrscht mit den Analysten professionell zu kommunizieren und Visionen aufzubauen (was für BB10 zwingend erforderlich wäre). Dass die Firma im letzten Quartal nur moderat gewachsen ist trotz BB10 — so what, einer der mit der Meute spielen kann, kann auch dies als Erfolg verkaufen. Auch die 88 Millionen Verlust sind an sich kein Desaster, da dieser Verlust überwiegend auf einem Sondereffekt aus Venezuela beruht. Ein Verkäufer hätte auch dies noch zum Erfolg umschminken können.
Ja, das sind keine tollen Zahlen. Und es ist auch richtig, dass diese Zahlen unter den Erwartungen der Analysten liegen. Aber dies erklärt nicht fast 30 % Kursabsturz. Der Kursabsturz ist die Dokumentation des Vertrauensverlustes in Thorsten Heins und vielleicht auch mittlerweile in BlackBerry. denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen Lichtjahre auseinander — gerade bei Heins.
Einige Beispiele.
Da verkündet Heins doch im letzten Quartal mal eben, dass Tablets bedeutungslos werden und er dieser Geräteklasse keine Zukunft beimisst.
Klartext: Nachdem wir 5000 Leute rausgeschmissen haben langt es vorne und hinten nicht um alle noch vorhandenen Bereiche abzudecken.
Logische Umsetzung in der Analystenkonferenz: Das von ihm selbst versprochene Update für das Playbook auf BB10 kommt nun doch nicht. Im Kern logisch, wenn es an allen Enden und Ecken fehlt. Dies aber in der Analystenkonferenz zu verkünden ist — bei vorsichtigster Formulierung — unklug. Norddeutsch: voll bescheuert!
Da fabuliert Heins während des Quartals von über den Erwartungen liegenden BB10-Absätzen, von einer Millionen-Order und voller Zufriedenheit und veranlasst hierdurch die Analysten — immer noch vorsichtig — an wirklich nicht viel zu glauben — 3,5 Millionen BB10-Geräte vermutete man.
Klartext: Wir erzählen euch nicht, was los ist. Aber glaubt uns einfach — es läuft bombig!
Konsequente Umsetzung in der Analystenkonferenz: Die Realität sieht düster aus — 2,7 Millionen ausgelieferte BB10-Geräte sind ein Witz und zeigen das Scheitern von BB10 schon am Horizont.
Da erzählt Heins an jeder Stelle wie toll und super BB10 ist. Aber von BB7 will er trotzdem nicht lassen.
Klartext: Ich glaube selber nicht so ganz ob es mit BB10 jemals klappen wird, BB7 läuft ja wenigstens noch ein bisschen. Vollgas und Vollbremsung zugleich war noch nie die beste Fahrtechnik!
Traurige Umsetzung in der Analystenkonferenz: Heins kündigt vorsichtshalber noch ein Gerät für die alte BB7-Plattform an, sicher ist sicher! Wenn der Hersteller selbst nicht an sein neues Konzept glaubt — warum soll es der Anwender tun?
Man könnte noch viele Beispiele anführen, aber alle belegen nur eines: Heins und mit ihm BlackBerry glaubt selbst nicht an die Zukunft. Denn es hätte durchaus auch die Möglichkeit für Erklärungen gegeben. Man hätte sagen können, dass erst der Q10 und der Q5 den Durchbruch bringen können und sollen — das wäre vermittelbar gewesen und hätte Mut gemacht. Aber selbst dieses Hoffnungspflänzchen hat Heinz ganz brutal zertreten — er gab einen düsteren Ausblick auf das nächste Quartal und versprach Verluste!
Genau dies hat der Aktie m.E. den Rest gegeben. Denn nun ist auch die Q10 /Q5 Phantasie mit einem Schlag abgeräumt worden — aus, vorbei. Der Hersteller verkündet indirekt, dass auch die vermeintlichen Heilsbringer nichts bringen werden — ein nahtloser Übergang von der Vision zur Abwicklung?
So mancher bei BlackBerry denkt über die Zwitter Q10 und Q5 sicher ebenso wie Boris Boden, der zumindest hierzulande mit seinen Tests im Telefon-Fachhandel ein wichtiger Multiplikator ist. Boden meint ganz trocken zum Q10: Die Navigation über Internetseiten oder durch längere E‑Mails wird damit zu einem ständigen Herumschieben auf dem Display und auch Filme machen keinen Spaß. Boden hat einen sicheren Instinkt für Smartphones, die sich verkaufen lassen und für Smartphones, die scheitern. Allein schon die Überschrift seines Beitrages ist kein Rückenwind: Der Einzelgänger! Im Telefonfachhandel bringt dieser Artikel BlackBerry wieder einmal nicht in die Auslagen.
Andererseits imponiert mir Heins, denn ich glaube, dass er weiss oder zumindest ahnt, dass ‘Game over’ nicht mehr fern ist, hierfür gibt es ernstzunehmende Indikatoren. Der Exodus der strategisch wichtigen obersten Führungskräfte hält an. Warum geht Rob Orr, Geschäftsführer des strategisch so wichtigen Marktes UK & Ireland von BlackBerry zu Samsung vor dem Hintergrund des so tollen BB10? (Samsung appoints Rob Orr as B2B European telecoms VP). Es ist davon auszugehen, dass er von BB10 deutlich weniger hält als von Samsung, was ich verstehen kann.
Warum spricht Heins nicht über die strategisch wichtigen Themen Mobile Device Management und Containerization, an denen BlackBerry sich nun auch versuchen möchte? Vermutlich weil ihm klar ist, dass ihn die Analysten hier mit der (ausnahmsweise einmal berechtigten) Kritik von Gartner im Magic Quadrant for Mobile Device Managment Software 2013 aus dem Mai 2013 konfrontiert hätten:
… BlackBerry is not considered much of an innovator in cross-platform MDM; although it does manage Android, it does not yet support advanced Android APIs from Samsung Safe-certified devices, …
… It still requires a third-party partner to provide extended Android support. …
Insider wissen, dass sich Gartner hier noch wohlwollend positiv ausgedrückt hat. Aber warum soll man auch das Betriebssystem gut managen können, dass weltweit auf 90 % Marktanteil zusteuert? Wenn Heins Recht hat, ist das sowieso ein falscher Schritt, denn Tablets sind ja schon bald bedeutungslos! Sollte er nicht Recht haben, wird auch der Schuss mit MDM wieder einmal nach hinten losgehen, ich erinnere an die endlose Odyssee beim MVS (Mobile Voice System). Wie viele andere traue ich den behäbigen Kanadiern nicht zu in einem Markt zu operieren, der extreme Schnelligkeit und Agilität benötigt, speziell wenn es um Android geht.
Wohlweislich vermutlich deshalb hat Heins auch keine Äußerungen zum neuesten Produkt Secure Work Space für Android und iOS getroffen, was ggf. mit den Aussagen von Gartner konfrontiert worden wäre. Da Analysten sich regelmäßig auch für den kaufmännischen Teil neuer Produkte interessieren, wäre Heins auch die Frage nach dem sehr mutigen Preispunkt von 99 USD nicht erspart geblieben. Wie man diesen Preis in die Welt setzen kann, wenn leistungsfähigere Produkte wie Touchdown von Nitrodesk für 16 USD und noch deutlich weniger an Enterprisekunden verkauft werden, versteht sicher kein Analyst. Allein schon deswegen wird das Produkt eine sehr überschaubare Resonanz erfahren, wie auch der MDM-Versuch mit dem Universal Device Service, der schon viele der Tester nicht angesprochen hat.
Was wird kommen?
Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass der Absturz mit Heins und seiner Truppe, die er nunmehr komplett allein verantwortet, in meinen Augen unausweichlich ist. Vielleicht hat BlackBerry noch eine winzige Chance. Dann aber ohne Heins und — noch wichtiger — ohne Frank Boulben. Frank wer? Frank Boulben ist der CMO von BlackBerry. Handverlesen von Heins und ein Totalausfall. Außer der vom iPhone twitternden Alicia Keys, deren Aufgabe sich auch nach 3 Monaten niemandem wirklich erschließt, hat Boulben nahtlos dort fortgesetzt wo das BlackBerry-Marketing schon immer stand — im ungefähren Nirgendwo.
Warum soll man dem Verbraucher auch ganz simpel verkünden das man ein komplett neues Gerät erfunden hat? Das könnte der ja interessant finden. Also machen wir lieber weiter so, wie es bei BlackBerry immer lief — zeitgeistiges Geblubber mit inhaltsleeren Claims die die zentrale Botschaft, an die man glaubt, nicht rüberbringt: „Wir sind die Neuesten, wir sind die Sichersten, wir sind für Unternehmen da.”
Aber vermutlich glaubt das BlackBerry mittlerweile selbst nicht mehr. Schade. Es hätte anders kommen können!
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